24.11.2025

Lizzy Herzer
Exklusive Einblicke von der Krankenhauslogistik-Konferenz 2025 in Graz: Logistiktunnel, KI-Integration und innovative Supply Chain Management-Lösungen.
Wenn Logistik unter die Erde geht: Innovation am LKH-Universitätsklinikum Graz
"Logistik und Supply Chain Management müssen als unverzichtbarer Bestandteil im Führungsverständnis verankert werden." Diese Vision von Dipl. KHBW Michael Kazianschütz MBA MSc, Bereichsleiter Wirtschaft/Logistik und Leiter Stabsstelle Supply Chain Management der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. am LKH-Universitätsklinikum Graz, war das zentrale Thema der Fachkonferenz "Krankenhaus-Logistik" am 19. und 20. November 2025 in Graz.

Als ich die von Elke Wiedmaier (Geschäftsführende Gesellschafterin, Management Forum Starnberg GmbH) moderierte Konferenz besuchte, erwartete mich ein aufschlussreicher Einblick in die Zukunft der Krankenhauslogistik. Die Vielfalt der vorgestellten Lösungsansätze war interessant.

Unterirdische Innovation: Vom oberirdischen Transport zum Logistiktunnel
Michael Kazianschütz, Preisträger des Innovationspreises für Krankenhauslogistik, führte uns durch eine bemerkenswerte Transformation. Das LKH-Universitätsklinikum Graz hat seine gesamte Versorgung von oberirdisch auf unterirdisch umgestellt – mit einem Bau-, Logistik- und Medientunnel, dessen Kick-Off 2024 erfolgte.
Das Gesamtkonzept Logistik umfasst mehrere Teilkonzepte: Notfallkonzept, Elektronische Anforderung, Versorgungsassistenz, Warenausgang und Rückführung sowie Wareneingang. Dabei setzt Kazianschütz konsequent auf Lean Management mit fließenden Prozessen, einheitlichen Arbeitsweisen, Qualität und kontinuierlicher Verbesserung, Eliminierung von Verschwendung und Nivellierung für ausgeglichene Belastung.

Durch Simulation gewinnt er wichtige Erkenntnisse für innovative Lösungen und testet diese mit Datenbrillen. Dabei muss er auch äußere Faktoren wie den Klimawandel berücksichtigen – konkret Starkregenereignisse, die die Logistikprozesse beeinflussen können.

Die Besichtigung der Versorgungstunnel im Klinikum mit Herrn Kazianschütz war ein Highlight. Außerdem spektakulär: die Besichtigung des Helikopterlandeplatzes mit einem beeindruckenden Blick über die schöne Stadt Graz. Bemerkenswerte Zahl am Rande: 1.600 Helikopterlandungen pro Jahr verzeichnet das Klinikum.



Von Reinigungsrobotern bis Fensterputzrobotern: Automatisierung im Detail
Kazianschütz beschrieb unzählige Prozesse der Logistik in diesem riesigen Krankenhaus. Die Bandbreite ist bemerkenswert: Vom Reinigungspersonal bis zum Reinigungsroboter, vom Industriekletterer für Fensterreinigung bis zum Fensterreinigerroboter. Es wurde deutlich, welche enorme Leistung unterirdisch und scheinbar im Hintergrund passiert.
Ein Detail, das mir gefiel: Die Kleidung im Klinikum wurde entpersonalisiert – genau wie im Krankenhaus im Burgenland. Graz setzt auf schöne bunte Farben von Flieder über Magenta bis Hellblau, die Ärzte und Reinigungskräfte gleich benutzen.

Versorgungsassistenz mit Kanban: Effizienz durch Visualisierung
Besonders mochte ich den Vortrag von DGKP/QB/RM Ulrich Klingenberg, Operative Leitung der Versorgungsassistenz der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. am LKH-Universitätsklinikum Graz, über Versorgungsassistenz mit Kanban. Seine Darstellung der Etablierung und Implementierung, des Leistungsspektrums und der Kennzahlen zeigte eindrucksvoll, wie moderne Materialwirtschaft funktioniert.

KI im Krankenhaus: Sicherheit und Effizienz im Fokus
René Herzer, Gründer und Geschäftsführer der basebox GmbH, durfte den Vortrag "KI im Krankenhaus" halten. Er zeigte einen sicheren und schnellen Weg zur produktiven KI-Nutzung im Krankenhaus auf – von KI-Visionen zu messbaren klinischen Ergebnissen.
Herzers strategischer Ansatz basiert auf vier Säulen der Digitalisierungsstrategie mit flexiblen Hosting-Strategien und praktischen Anwendungsfällen. Besonders relevant für Krankenhäuser: die KI-Integration in vier Schritten mit Datenschutz von Beginn an, durchdachten Hosting-Lösungen, sinnvollen Use Cases und schrittweiser Datenintegration.
Wir wurden von leitenden Fachangestellten mit ihren konkreten Use Cases angefragt: zum Beispiel SOPs durchsuchen, Arzneimittelabfrage und andere praktische Anwendungen, die den Klinikalltag erleichtern können.

Präzise Ortung und intelligentes Tracking
Markus Feuerbacher, Abteilungsleiter und stellvertretender Geschäftsbereichsleiter (kommissarisch) im Geschäftsbereich E-Betrieb und Logistik am Universitätsklinikum Tübingen, demonstrierte die Möglichkeiten präziser Ortung in Echtzeit. Seine RTLS-Lösung (Real Time Location System) zeigt quantifizierbaren Nutzen durch verbesserte Informationsflüsse und Interoperabilität verschiedener Systeme.

Zeynep Timur, Bereichsleitung Beratung Betriebsorganisation MT/AEMP/MedIT bei der Sana Klinik Service GmbH, ergänzte mit wichtigen Erkenntnissen zum Prozesstracking: "Live-Tracking allein löst keine Datenprobleme!" Ein einfaches aber eindrückliches Beispiel war das Tracking der Händedesinfektion, das sie vorstellte.

Ihre Take-Home-Messages:
Die Etablierung von IoT-Infrastrukturen muss unter ganzheitlichen Aspekten strategisch in der Klinik entwickelt werden
Die Einführung einzelner Use Cases ohne gesamthafte Strategie birgt wenig Chance auf nachhaltige Umsetzung und Amortisation
Die Akzeptanz der Anwendung im Klinikalltag fällt und steht mit der Usability der Anwendung und deren Integrationsmöglichkeiten in bereits bestehende Anwendungen
Entwicklungspartnerschaften mit Lösungsanbietern sind ein wichtiger Baustein
Es ist kein maßgebliches IT-Projekt und muss interdisziplinär durch die jeweiligen Prozesseigner gesteuert werden

RFID optimiert die Textillogistik
Ein interessanter Einblick kam von Kristina Gabriel, stellvertretende Leitung Stabsstelle Supply Chain Management der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. am LKH-Universitätsklinikum Graz, und Dipl. KHBW Gabriele Maierhofer, Betriebsdirektorin der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H., Institute und Betriebe.
Sie zeigten, wie RFID-gestützte Bekleidungssysteme die Dienstkleidung "zum Sprechen" bringen. Die Implementierung folgt Lean-Prinzipien mit Simulation und bietet enormes Optimierungspotenzial. Mag. Marc Seper MSc, Kaufmännischer Direktor der Gesundheit Burgenland – Burgenländische Krankenanstalten GmbH, Klinik Oberwart, ergänzte mit Erfahrungen zur effizienten und nachhaltigen Personalwäscheversorgung.

Nachhaltigkeit und Compliance im Fokus
Mag. Stefan Honeder, Rechtsanwalt bei CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, beleuchtete die rechtlichen Aspekte: "Vom Flickwerk zur Pflicht – Nachhaltigkeits-Compliance im Lichte der CS-DDD und der Omnibus-Verordnung." Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive stellt neue Anforderungen an Krankenhäuser und deren Lieferketten.
Sarah Gugerell, Logistik im Vorstandsressort Infrastrukturmanagement, Facility Services des Wiener Gesundheitsverbunds, teilte praktische Erfahrungen aus der Umsetzung eines Logistikzentrums für Wirtschaftswaren mit. Besonders wertvoll waren ihre Learnings aus der Digitalisierung von Prozessen und der Einführung eines Lagerverwaltungssystems.
Resilienz und Versorgungssicherheit: ASCII macht Lieferketten sichtbar
Prof. (FH) Dr. Veit Kohnhauser, Studiengangsleitung am Logistikum der FH Oberösterreich, rundete das Programm mit wichtigen Erkenntnissen zu "Versorgungssicherheit und Resilienz – Anforderungen an moderne Lieferketten" ab. Sein Vortrag war für mich persönlich besonders interessant, weil er klar machte, wie globale Krisen und geopolitische Spannungen Einfluss auf unsere Versorgungsnetzwerke haben.

Eine bemerkenswerte Statistik: Nur 6% der Unternehmen kennen ihre gesamte Lieferkette, weniger als 1% der weltweiten Lieferbeziehungen wurden je beobachtet. Hier setzt ASCII (Supply Chain Intelligence Institute Austria) an und verschafft erstmals verlässliche Datengrundlagen, um Lieferketten sichtbar, steuerbar und zukunftsfähig zu machen.
Warum ist das wichtig? Damit einem klar wird, dass man sich in Abhängigkeit begibt. Als Beispiel nannte er die Antibiotikaherstellung – wenn Antibiotika nicht mehr oder nur unzulänglich in Europa hergestellt werden, entstehen gefährliche Versorgungslücken.
Störungen bei Lieferketten nehmen zu: Von der Dotcom-Bubble 2000 über 9/11 2001, iPhone-Launch 2007, Fukushima-Erdbeben und Tsunami 2011, Handelskrieg 2018, Brexit 2016, COVID-19 2020 bis zum Baltimore-Brückensturz 2023 nannte er einige Beispiele. Er betonte, dass Lieferketten heutzutage an geopolitischer Bedeutung gewinnen.

Während man früher als Partner global arbeitete und partnerschaftlichen Handel betrieb, ist heutzutage der protektionistische Ansatz (Trump) eine Herausforderung für die ganze Welt.

Dazu zitierte er Max Frisch: "Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." Das nehmen wir mit.

Erwähnenswert ist auch der Lieferkettenmonitor VNL von Prewave, der zusätzliche Transparenz in globale Versorgungsstrukturen bringt.

Learnings aus dem Motorsport: KTM-Erfahrungen für die Klinik
Einen besonderen Blickwinkel bot Chiara Raith, Independent Supply Chain & Operations Consultant, mit ihrem Vortrag "Navigating Supply Chains in High-Performance Environments". Sie übertrug Erkenntnisse aus ihrer Zeit bei KTM auf die Krankenhauslogistik – ein ungewöhnlicher, aber sehr lehrreicher Ansatz.
Ihre wichtigsten Tipps: "Hört sofort auf mit Fingerpointing – mit Schuldzuweisungen kommt man nirgendwohin. Seid agil. Flexibel. Feiert Erfolge." Diese Prinzipien aus dem Hochleistungssport lassen sich durchaus auf die Agilität unter Druck und funktionale Führung in Krankenhäusern übertragen.
Graz bei Nacht: Ein persönlicher Abschluss
Am Abend liefen wir noch den Schlossberg hinauf, um einen Blick über das schöne Graz zu erhaschen. Ein ruhiger Abschluss eines intensiven Konferenztages mit einem spektakulären Ausblick über die Kulturhauptstadt.


Meine wichtigsten Takeaways
Nach zwei intensiven Konferenztagen kristallisierten sich für mich sechs zentrale Erkenntnisse heraus:
Erstens: Unterirdische Logistik kann bei besonderen Bauten wie in Graz durchaus Sinn ergeben und neue Effizienzpotenziale erschließen.
Zweitens: KI muss von Anfang an sicher gedacht werden. Datenschutz und schrittweise Integration sind entscheidend für den Erfolg.
Drittens: IoT-Infrastrukturen brauchen ganzheitliche Strategien. Einzelne Use Cases ohne Gesamtkonzept führen nicht zum Erfolg.
Viertens: RFID und Tracking-Technologien optimieren die Materialwirtschaft erheblich. Von der Textillogistik bis zur Geräteverfolgung entstehen neue Möglichkeiten.
Fünftens: Lieferkettenresilienz wird überlebenswichtig. ASCII und ähnliche Initiativen schaffen die nötige Transparenz für sichere Versorgung.
Sechstens: Logistik muss Chefsache werden. Michael Kazianschütz' Vision einer Verankerung im Führungsverständnis ist der Schlüssel zum Erfolg.
Ausblick: Die Zukunft der Krankenhauslogistik
Die Fachkonferenz "Krankenhaus-Logistik" 2025 hat gezeigt, dass sich die Branche in einem kontinuierlichen Wandel befindet. Die Kombination aus technologischer Innovation, nachhaltigen Ansätzen und strategischem Denken eröffnet neue Dimensionen der Effizienz.


Sind Sie bereit für die logistische Transformation in Ihrem Krankenhaus? Die vorgestellten Lösungen und Ansätze bieten konkrete Anknüpfungspunkte für die Modernisierung Ihrer Logistikprozesse. Als KI Anbieter integrieren wir KI sicher in Ihrer Organisation und können alle Ihre Use Cases bedienen.
Weiterführende Lektüre zum Thema Lieferketten und Versorgungssicherheit: Der aktuelle taz-Artikel "Digitale Abhängigkeit von den USA - Wie Europa sich auf den Kill Switch vorbereitet" beleuchtet ein verwandtes Risiko für die europäische Gesundheitsversorgung: die extreme Abhängigkeit von US-amerikanischen IT-Diensten. Von Smartphone-Betriebssystemen über Cloud-Services bis hin zur Infrastruktur elektronischer Patientenakten – ein politisch motivierter "Kill Switch" könnte Europa empfindlich treffen. Der Artikel zeigt aber auch Lösungswege auf: Frankreich entwickelt eigene Suchmaschinen-Indizes, Schleswig-Holstein stellt auf Open-Source-Software um, und die Schweiz arbeitet an Apertus- einem offenen KI-Sprachmodell. Trotz wachsenden Bewusstseins für das Problem scheuen viele Unternehmen noch vor europäischen Alternativen zurück – ein Risiko, das auch die Krankenhauslogistik betrifft.
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