14.08.2024

Lizzy Herzer
Lizzy Herzer
Als Spezialistin für Radiologie und Wissenschaftlerin (Oberärztin am Klinikum rechts der Isar, TU München) verfügt Priv.-Doz. Dr. Lisa Adams über Fachkenntnisse in der Anwendung von künstlicher Intelligenz in der Radiologie. Sie hat Erfahrung in der präklinischen und klinischen Forschung und engagiert sich für klinisch-translationalen Forschungsprojekte, die darauf abzielen, die diagnostischen Fähigkeiten der radiologischen Berichterstattung und Bildgebung zu verbessern.
Zusammen mit Ihrem Team haben Sie ein KI-Modell entwickelt, das kardiale Geräte auf Röntgenaufnahmen des Brustkorbs identifizieren kann – sogar auf Smartphone-Fotos. In Notfällen kann es entscheidend sein, schnell zu erkennen, welchen Herzschrittmacher oder Defibrillator ein Patient trägt. Wie genau funktioniert das und wie lange haben Sie an der Entwicklung des Modells gearbeitet?
Unser KI-Modell basiert auf einer U-Net-Architektur. Es wurde entwickelt, um kardial implantierbare elektronische Geräte auf Röntgenaufnahmen des Brustkorbs zu segmentieren und zu klassifizieren. Das Besondere ist, dass wir sowohl DICOM- als auch Smartphone-Bilder von Röntgenaufnahmen verwendet haben. Die Entwicklung des Modells, von der Datensammlung bis zur Validierung, dauerte mehr als ein Jahr.
Wie viele Bilder haben Sie in Ihrer Studie erfasst?
Wir haben insgesamt 13.393 Bilder verwendet. Davon waren 2.321 hochauflösende DICOM-Röntgenaufnahmen von 897 Patienten und 11.072 waren Smartphone-Bilder von Röntgenaufnahmen. Die Smartphone-Bilder wurden mit fünf verschiedenen Handys aufgenommen, um eine hohe Variabilität sicherzustellen.
Wie leistungsfähig ist Ihr Modell?
Es erreichte einen durchschnittlichen Dice-Koeffizienten von 0,936 für die Segmentierung, 94,36 % Genauigkeit für die Herstellerklassifikation und 84,21 % Genauigkeit für die Modellklassifikation. Diese Ergebnisse zeigen, dass unser System nicht nur Geräte zuverlässig lokalisieren kann, sondern auch Hersteller und Modelle präzise bestimmen kann.
Haben Sie in einem internationalen Team gearbeitet und wie groß war Ihr Team?
Unsere Studie wurde an der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführt. Unser Kernteam bestand aus etwa 10 Personen, darunter Radiologen und Softwareentwickler. Obwohl wir kein internationales Forschungsteam im klassischen Sinne waren, profitierte unser Projekt von der Vielfalt unseres Personals mit Kollegen aus verschiedenen Nationen.
An welchen anderen Projekten arbeiten Sie derzeit?
Ich arbeite derzeit an mehreren Forschungsprojekten, die sich auf die Anwendung von KI in der radiologischen Diagnostik konzentrieren. Ein Schwerpunkt liegt auf der Anwendung von großen Sprachmodellen in der Radiologie und der Verbesserung der Früherkennung und Charakterisierung von Tumoren mit multimodaler Bildgebung. Ich bin auch an der Entwicklung von KI-unterstützten klinischen Entscheidungsunterstützungssystemen für die klinische Praxis beteiligt.
Wie beurteilen Sie allgemein das Potenzial von KI in der medizinischen Bildgebung über verschiedene Bildquellen hinweg?
Ich halte das Potenzial von KI in der medizinischen Bildgebung für sehr groß. Unsere Arbeit zeigt, wie KI verschiedene Bildquellen integrieren und analysieren kann. Meiner Meinung nach wird KI die diagnostische Genauigkeit und Effizienz zumindest langfristig verbessern, indem sie komplexe Muster erkennt. In der Zukunft sehe ich KI als unverzichtbaren Assistenten für Radiologen, der Arbeitsabläufe optimiert und die Patientenversorgung verbessert.
Glauben Sie, dass wir in Europa ausreichend Unterstützung für Projekte wie Ihres haben?
Die Unterstützung in Europa wächst stetig, aber es gibt noch Verbesserungsbedarf. Der EU-KI-Entwurf ist ein Schritt in Richtung eines einheitlichen Rahmens, aber wir müssen sorgfältig prüfen, wie wir Innovationen fördern können, während wir hohe Sicherheitsstandards gewährleisten. Eine differenziertere Sicht auf die Anwendungen von medizinischer KI wäre wünschenswert. In wirtschaftlicher und regulatorischer Hinsicht müssen wir einen ausgewogenen Ansatz finden, der die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärkt, ohne ethische Prinzipien zu vernachlässigen.
Wie wird sich KI im Gesundheitswesen in den nächsten Jahren entwickeln? Können Sie uns Ihre Einschätzung geben?
Ich gehe davon aus, dass die Entwicklung von KI im Gesundheitswesen vielschichtig sein wird. Wir können uns auf Fortschritte in der Diagnostik und der Behandlungsplanung freuen, zumindest mittelfristig. Gleichzeitig stehen wir vor der Herausforderung, den Ärzten ein tieferes Verständnis für die Entscheidungsprozesse dieser Systeme zu vermitteln. Der Datenschutz und die Definition von Verantwortlichkeiten bei KI-unterstützten Entscheidungen werden wichtige Diskussionsthemen bleiben. Unser Ziel muss es sein, KI so zu integrieren, dass sie das menschliche Element in der Medizin ergänzt und stärkt, anstatt es zu ersetzen.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Integration von KI in den Alltag der Radiologie?
Meiner Ansicht nach liegt eine zentrale Herausforderung darin, KI-Systeme mit unseren etablierten Arbeitsabläufen und IT-Infrastrukturen in Einklang zu bringen. Der schnelle Entwicklungstempo erfordert auch von uns Radiologen, dass wir uns kontinuierlich weiterbilden. Die rechtlichen und ethischen Fragen sollten insbesondere in Bezug auf die Verantwortlichkeiten bei KI-unterstützten Entscheidungen nicht unterschätzt werden. Insgesamt sehe ich KI als ein vielversprechendes Werkzeug, dessen erfolgreiche Integration ein sorgfältiges Gleichgewicht zwischen Innovation und bewährter klinischer Praxis erfordert.
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