KI in der radiologischen Diagnostik. Interview mit Priv.- Doz. Dr. Lisa Adams

Als Fachärztin für Radiologie und Wissenschaftlerin (Oberärztin am Klinikum rechts der Isar, TU München) verfügt Priv.-Doz. Dr. Lisa Adams über Expertise in der Anwendung von künstlicher Intelligenz in der Radiologie. Sie bringt Erfahrung in der präklinischen und klinischen Forschung mit und widmet sich klinisch-translationalen Forschungsprojekten, die darauf abzielen, die diagnostischen Möglichkeiten der radiologischen Befundung und Bildgebung zu verbessern. 

Mit Ihrem Team haben Sie ein KI-Modell entwickelt, das Herzgeräte auf Röntgenbildern des Brustkorbs identifizieren kann – sogar auf Smartphone-Fotos. In Notfällen kann es entscheidend sein, schnell zu erkennen, welchen Herzschrittmacher oder Defibrillator ein Patient trägt. Wie funktioniert das genau und wie lange haben Sie an der Entwicklung des Modells gearbeitet? 

Unser KI-Modell basiert auf einer U-Net-Architektur. Es wurde entwickelt, um kardiale implantierbare elektronische Geräte auf Röntgenbildern des Brustkorbs zu segmentieren und zu klassifizieren. Das Besondere ist, dass wir sowohl DICOM- als auch Smartphone-Aufnahmen von Röntgenbildern verwendet haben. Die Entwicklung des Modells, von der Datensammlung bis zur Validierung, erstreckte sich über mehr als ein Jahr.  

Wie viele Bilder haben Sie in Ihrer Studie erfasst? 

Wir haben insgesamt 13.393 Bilder verwendet. Davon waren 2.321 hochauflösende DICOM-Röntgenbilder von 897 Patienten und 11.072 Smartphone-Aufnahmen von Röntgenbildern. Die Smartphone-Bilder wurden mit fünf verschiedenen Mobiltelefonen aufgenommen, um eine hohe Variabilität zu gewährleisten. 

Wie leistungsfähig ist Ihr Modell? 

Bei der Segmentierung erreichte es einen mittleren Dice-Koeffizienten von 0,936. Für die Herstellerklassifikation lag die Genauigkeit bei 94,36%, und für die Modellklassifikation bei 84,21%. Diese Ergebnisse zeigen, dass unser System nicht nur zuverlässig Geräte lokalisieren, sondern auch präzise Hersteller und Modelle bestimmen kann. 

Haben Sie in einem internationalen Team gearbeitet und wie groß war Ihr Team? 

Unsere Studie wurde an der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführt. Unser Kernteam bestand aus etwa 10 Personen, darunter Radiologen und Softwareentwickler. Obwohl wir kein internationales Forschungsteam im klassischen Sinne waren, profitierte unser Projekt von der Vielfalt unserer Mitarbeiter mit Kollegen aus verschiedenen Nationen. 

An welchen anderen Projekten arbeiten Sie derzeit? 

Aktuell arbeite ich an mehreren Forschungsprojekten, die sich auf die Anwendung von KI in der radiologischen Diagnostik konzentrieren. Ein Schwerpunkt liegt auf der Anwendung von Large Language Models in der Radiologie sowie der Verbesserung der Früherkennung und Charakterisierung von Tumoren mittels multimodaler Bildgebung. Zudem beschäftige ich mich mit der Entwicklung von KI-gestützten Clinical Decision Support Systems für die klinische Praxis. 

Wie schätzen Sie grundsätzlich das Potenzial von KI in der medizinischen Bildgebung über verschiedene Bildquellen hinweg ein? 

Das Potenzial von KI in der medizinischen Bildgebung schätze ich als sehr groß ein. Unsere Arbeit zeigt, wie KI verschiedene Bildquellen integrieren und analysieren kann. KI wird meiner Meinung nach zumindest langfristig die Diagnosegenauigkeit und -effizienz verbessern, indem sie komplexe Muster erkennt. In Zukunft sehe ich KI als unverzichtbaren Assistenten für Radiologen, der Arbeitsabläufe optimiert und die Patientenversorgung verbessert. 

Glauben Sie, dass wir in Europa genügend Unterstützung haben für Projekte wie Ihre? 

Die Unterstützung in Europa wächst stetig, aber es gibt noch Raum für Verbesserungen. Der EU AI Act ist ein Schritt zu einheitlichen Rahmenbedingungen, jedoch müssen wir sorgfältig abwägen, wie wir Innovation fördern und gleichzeitig hohe Sicherheitsstandards gewährleisten. Eine differenziertere Betrachtung medizinischer KI-Anwendungen wäre wünschenswert. Wirtschaftlich und regulatorisch gilt es, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, der Europas Wettbewerbsfähigkeit stärkt, ohne ethische Prinzipien zu vernachlässigen. 

Wie wird sich KI im Gesundheitswesen in den nächsten Jahren entwickeln? Können Sie uns Ihre Einschätzung dazu geben? 

Ich gehe davon aus, dass die Entwicklung von KI im Gesundheitswesen vielschichtig sein wird. Wir können uns zumindest mittelfristig auf Fortschritte in Diagnostik und Therapieplanung freuen. Gleichzeitig stehen wir vor der Herausforderung, Ärzten ein tieferes Verständnis für die Entscheidungsprozesse dieser Systeme zu vermitteln. Datenschutz und die Definition von Verantwortlichkeiten bei KI-unterstützten Entscheidungen werden wichtige Diskussionsthemen bleiben. Unser Ziel muss es sein, KI so zu integrieren, dass sie die menschliche Komponente in der Medizin ergänzt und stärkt, statt sie zu ersetzen. 

Was sind die größten Herausforderungen bei der Integration von KI in den radiologischen Alltag? 

Aus meiner Sicht liegt eine zentrale Herausforderung in der Harmonisierung von KI-Systemen mit unseren etablierten Arbeitsabläufen und IT-Infrastrukturen. Die schnelle Entwicklung erfordert zudem kontinuierliche Weiterbildung von uns Radiologen. Nicht zu unterschätzen sind auch die rechtlichen und ethischen Fragen, besonders hinsichtlich der Verantwortlichkeiten bei KI-unterstützten Entscheidungen. Insgesamt sehe ich KI als vielversprechendes Werkzeug, dessen erfolgreiche Integration eine sorgfältige Balance zwischen Innovation und bewährter klinischer Praxis erfordert.

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